Suizid Let's talk about it

Sepulkralkultur

Analog zum Begriff Sepulkralkultur (lat. Sepulcrum = Grab), der die vielen Facetten im Kontext von Sterben und Tod umfasst, folgt die Abteilung Sterben – Tod – Bestattung – Trauer – Gedenken den Handlungsabfolgen bei einem Todesfall. Es wird den Fragen nachgegangen, wie sich Menschen einst mit dem Tod auseinandersetzten und wie sie sich auf das Sterben vorbereiteten, wie Bestattungen vollzogen wurden und wie Trauer, aber auch Gedenken und Erinnerung ihren Ausdruck fanden. Veranschaulicht wird dies an historischen Sammlungsstücken, ergänzt um Objekte aus der zeitgenössischen Kunst und dem Produktdesign. So werden nicht nur die Veränderungen einzelner Gegenstände der Sepulkralkultur erkennbar, sondern auch der Wandel im Umgang mit Sterben und Tod wird offensichtlich. Wir wünschen Ihnen interessante Einblicke in die Sepulkralkultur vergangener Zeiten und der Gegenwart!

Dagmar Kuhle | Außenbereich des Museums

Dagmar Kuhle | Wachsendes Grabzeichen

Friedhofsentwicklung in der Nachkriegszeit

Nach dem 2. Weltkrieg nahm die Friedhofskultur in den beiden deutschen Staaten eine unterschiedliche Entwicklung, die aber zum selben Ergebnis führte. In der BRD überließ man die Friedhofs- und Grabgestaltung dem freien Markt. Zwar bemühte man sich, auf den Grabmalmusteranlagen der Bundesgartenschau vorbildliche Grabmale zu zeigen, doch setzte sich in der Praxis das normierte Industriegrabmal durch, das seit den 1970er Jahren zunehmend als Fertigprodukt aus Indien importiert wurde. Es entstanden Friedhöfe ohne Athmosphäre, sie wurden "anonym", und die Folge waren die anonymen Beisetzungen. In der DDR litt die Friedhofskultur zunächst unter der Mangelwirtschaft. Daraus resultierte die einfache Form der Urnengemeinschaftsanlage (UGA) als ostdeutsches Pendant zur anonymen Beisetzung. Bald wurde daraus eine Ideologie, die in der UGA ein Symbol der Gleichheit aller Menschen in der sozialistischen Gesellschaft sah. Die weitest entwickelte Form war die Möglichkeit, die Asche zu verstreuen.

Die Friedhofsreformbewegung zu Beginn des 20. Jh.

Zurück zu ""Religion, Heimat und Handwerk“ lautete das Motto der Friedhofsreform Anfang des 20. Jh.. Das Feindbild waren die immer mehr monumentalisierten Friedhöfe. Stattdessen setzte man auf die Gleichheit aller im Tod und verordnete schlichte, handwerkliche Grabzeichen. „Schon Ordnung ist Schönheit“ lautete das ästhetische Leitbild des Münchner Stadtbaurates H. Grässel, der mit dem Waldfriedhof in München 1907 den ersten Reformfriedhof schuf. Die Ideale von Ordnung und Naturnähe erfassten die Friedhofsplaner in ganz Deutschland und wurden für das 20. Jh. prägend. Zur Vollendung gelangte die Synthese architektonischer Geometrie und landschaftlicher Modellierung in Skogskyrkogården in Stockholm, der 1917-1940 angelegt und ausgebaut und 1994 als einziger Friedhof der Moderne in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen wurde. Die Ideale der Friedhofsreform hatten Ende des 20. Jh. unter dem Einfluss der zum Selbstzweck erstarrten Richtlinien zur Verödung der Friedhöfe geführt.

Industrialisierung der Grabmalkultur

Die industrielle Herstellung von Grabzeichen hatte zwar bereits im 19. Jh. begonnen, aber erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jh. dominiert die maschinelle Fertigung von Naturstein. Auch hat sich durch Importe die Palette von Gesteinsarten stark erhöht. Insbesondere aus Indien und China werden fertig produzierte Grabmale importiert. Etwa ein bis zwei Drittel des deutschen Marktes werden durch solche Importe gedeckt, während die heimische Naturstein-Grabmalindustrie schwere Einbußen erlitten hat. Die Möglichkeiten der maschinellen Grabstein-Fertigung und die überwiegende Verwendung von Granit haben zu einer Standardisierung der Grabmalformen geführt und zum Niedergang der Friedhofskultur beigetragen. Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs sind in Indien noch immer viele Familien auf die Arbeitskraft ihrer Kinder angewiesen. Rund 13 Millionen Minderjährige zwischen fünf und 14 Jahren schuften in Steinbrüchen und Fabriken – bis zu zwölf Stunden am Tag.

Moderne Feuerbestattung und der Urnenfriedhof

Seit Karl dem Großen war die Feuerbestattung im christlichen Abendland verboten. Seit der Aufklärung und verstärkt im 19. Jh. setzten sich Ärzte, Sozialdemokraten und Freidenker für die Wiedereinführung ein. Man suchte nach einer hygienisch einwandfreien und kostengünstigen Bestattungsform. Die Atheisten sahen darin ein antikirchliches Fanal. Die Bewegung der Krematisten sammelte sich in Feuerbestattungsvereinen und nach der Erfindung einer geeigneten Verbrennungstechnik konnte 1878 in Gotha das erste Krematorium der Neuzeit eröffnet werden. 1934 wurde die Feuerbestattung der Erdbestattung rechtlich gleichgestellt und erreichte immer höhere Anteile. Gegenwärtig beträgt der Anteil bundesweit über 70%, regional in Nord- und Ostdeutschland über 95%. Für die Architekten war das Krematorium eine neue Bauaufgabe. Orientierte man sich zunächst an klassizistischen oder kirchlichen Bauformen, so gelang Fritz Schuhmachen mit dem Krematorium in Dresden-Tolkewitz, 1911 eine neue Formsprache.

Gerold Eppler M.A. | Industrialisierung der Grabmalkultur

Die Verbürgerlichung der Friedhofskultur im 19. Jhd.

Galt bisher das eigene Grab mit Grabmal als Privileg des Adel, Klerus und sozialer Oberschicht, so werden sie im 19. Jh. zu einem Teil des erstarkten Bürgertums. In stereotypischen Formen historischer Stile werden Familien- und Erbbegräbnisse errichtet und mit Grabgittern umzäunt. Die Reproduzierbarkeit des Kunstwerks durch Zinkguss und Galvanoplastiken ermöglicht die Nachahmung von Grabfiguren. Weitere neue Techniken wie das Gusseisenverfahren erlauben es auch unteren sozialen Schichten, ein eigenes Grabmal zu errichten. Vor diesem Hintergrund kann das 19. Jh. als Höhepunkt der Friedhofskultur gelten, und aus dieser Zeit stammen die meisten „historischen Friedhöfe“, deren Charme wir heute schätzen. Andererseits kann man in der nun beginnenden „Versteinerung“ und „Vermassung“ den Beginn eines Niedergangs sehen. Industrielle Formen verdrängen handwerkliche und künstlerische Gestaltungen. Besonderes beliebt waren die relativ billigen, industriell herstellbaren galvanoplastischen Figuren.

Gerold Eppler M.A. | Kremation

Dagmar Kuhle - Vom Kirchhof zum Friedhof

Gerold Eppler M.A. | Entwicklung der Grabzeichen

Konfessionelle Friedhöfe

Die Bestattung war seit dem Mittelalter eine religiöse Angelegenheit, und nur die Kirche unterhielt Friedhöfe für ihre Gläubigen. Missliebigen Personen wurde die Beisetzung auf dem Kirchhof verwehrt. Eigene Friedhöfe unterhielten die Jüdischen Gemeinden. Seit der Reformation gab es zudem evangelische Friedhöfe. Das Friedhofswesen war aufgeteilt nach Religion und Konfession. Ev. Friedhöfe wurden in der Regel außerhalb der Städte angelegt, denn die Nähe zur Kirche war aus religiösen Gründen nicht mehr nötig. Typisches Beispiel für einen solchen Friedhof ist der 1559 ausgebaute Stadtgottesacker in Halle. Er ist streng rechtwinklig angelegt mit Gruftanlagen entlang der Friedhofsmauern, genannt Schwibbögen, für die Erbbegräbnisse der reichen Oberschicht. Seit dieser Zeit verbreitet sich auch die Verwendung der Särge, während man zuvor meist nur Leichentücher nutzte. Die einfachen Menschen wurden dagegen im Innenraum des Friedhofs beigesetzt, und ihre Gräber waren nicht gekennzeichnet.

Der mittelalterliche Kirchhof

Seit Karl dem Großen war es Gesetz, die Toten auf den Friedhöfen bei den Kirchen zu bestatten; und die Feuerbestattung war verboten. Der Kirchhof war ein heiliger Ort, und die Nähe der Toten zu den Reliquien in der Kirche galt als notwendig für die Auferstehung. Die Gräber waren einfache Gruben, häufig Massengräber, die nicht gekennzeichnet und gepflegt waren. Wichtig war nicht das Grab, sondern das liturgische Totengedenken. Wurden die Kirchhöfe zu klein, wurden für Neubelegungen die Gebeine exhumiert und in Beinhäuser verbracht. Der H. Knoblochtzer zugeschriebene Holzschnitt (ca. 1488) zeigt das idealtypische Bild eines mittelalterlichen Friedhofs als »Lebensraum« der Toten, die hier sehr lebendig dargestellt sind. Um ihre Welt von der Welt der Lebenden zu trennen, ist die Friedhofsmauer unverzichtbar. Die „gefährdete“ Schnittstelle zwischen Toten und Lebenden, der Eingang, ist durch einen Beinbrecher (auch Hexengitter genannt) gesichert, den die Toten nicht überschreiten können.

Pathos, Todesgewissheit, Selbstdarstellung in der Barockzeit

In der Barockzeit war der Gottesacker ein Tummelplatz der Eitelkeiten gepaart mit Pathos und morbider Schönheit. Es entstanden die kunsthistorisch bedeutendsten Grabskulpturen, und nach dem Urteil von E. Ponofsky endete in dieser Epoche auch die Grabkunst. Doch während die Grobarchitektur und Grabplastik einen Höhepunkt erlebte, blieb der Friedhof selbst ein weitgehend gestaltloser Raum, in dem die Steine dominierten. Die unverblümte Darstellung des Todes, von Knochen und Gebein, korrespondiert mit der sprichwörtlichen barocken Lebenslust, die erst vor dem Hintergrund der Vergänglichkeit wirklich begriffen werden konnte. Man muss sich vorstellen, dass die „schrecklichen“ Bilder einst farbig gefasst waren. Die Friedhöfe müssen ein buntes Erscheinungsbild besessen haben.

Das Grab in der Natur

In der Aufklärung setzte sich in intellektuellen Kreisen die Vorstellung vom Grab in der Natur durch. In seinem „Ideen-magazin für Liebhaber von Gärten, englischen Anlagen und für Besitzer von Landgütern“ (1786-1806) empfahl J. G. Grohmann das „Grabmal im Garten in melancholischer Szene“. Man orientierte sich an antiken, klassizistischen Formen. Auch wenn der Friedhof noch in kirchlicher oder kommunaler Trägerschaft in geregelten Strukturen verblieb, ließ sich der Gedanke des naturnahen Grabes nie mehr verdrängen. Zu den ersten Theoretikern gehörte R. J. A. Voit mit der Schrift „Ueber die Anlegung und Umwandlung der Gottesäcker in heitere Ruhegärten der Abgeschiedenen“, 1825. Es folgte im letzten Drittel des 19. Jh. der landschaftlich angelegte Parkfriedhof und Anfang des 20. Jh. der Waldfriedhof. Zum Durchbruch gelangte das Grab in der Natur erst mit Friedwald und Ruheforst im 21. Jh. H. Kramers Künstler-Nekropole in Kassel 1992 war gewissermaßen Vorläufer der modernen Naturbestattung.

Der "moderne" Friedhof

Seit Ende des 18. Jh. entsteht der Friedhof, dessen Struktur bis heute für öffentliche Friedhöfe prägend ist. Er dient der geordneten und hygienisch unbedenklichen Bestattung der Toten. Die Anlage ist regelmäßig, und die Friedhofsfläche wird durch rechtwinklige Wegachsen erschlossen. Bepflanzungen mit Bäumen dienten zunächst der „Lufthygiene“ und sollten verhindern, dass Verwesungsdünste in die Stadt ziehen. Erst gegen Ende des Jahrhunderts mehren sich Stimmen, die Bepflanzung auch zur Verschönerung des Friedhofs zu nutzen. Eine Grabbepflanzung im heutigen Sinne entsteht erst nach der Mitte des 19. Jh. Voraussetzung war der Wegfall der Glassteuer 11848, die es Gärtnern erlaubte, entsprechende Pflanzen wirtschaftlich zu produzieren. Der Alte Friedhof in Bonn wurde außerhalb der Stadt in einem von Straßen umschlossenen Grundstück angelegt. Die Binnengliederung erfolgte durch zwei sich rechtwinklig kreuzende Wegachsen. Auch der Friedhof Köln-Melaten zeigt eine einfache Binnengliederung.

Der Friedhof als Landschaftspark im 19. Jh.

Der Wunsch nach Friedhöfen, deren landschaftliche Heiterkeit dem Tod die Düsternis nimmt, keimte in Europa, doch verwirklicht wurden die ersten Parkfriedhöfe in Amerika. 1931 wurde der Friedhof Mount Auburn in Boston eröffnet. Geschwungene Wege führen durch eine künstlich gestaltete Landschaft aus Hügeln und Gewässern. Locker darum verstreut waren die großen Grabstätten der Familien. Als Höhepunkt dieser Entwicklung gilt der Spring Grove Cemetery in Cincinnati, der seit 1855 vom schlesischen Landschaftsarchitekten Adolph Strauch gestaltet wurde. Mit dem Südfriedhof in Kiel (1869) und den Friedhöfen Riensberg und Walle in Bremen (1875) entstanden die ersten Parkfriedhöfe in Deutschland. Ihre Architekten Wilhelm Benque und Carl Jancke beriefen sich ausdrücklich auf amerikanische Vorbilder. Der berühmteste Parkfriedhof Deutschlands, zugleich mit 400 ha der größte Friedhof der Welt, ist der Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg. Von Wilhelm Cordes geplant wurde er 1877 eingeweiht.

Die Friedhofsmodelle von Herrnhut und Dessau

Zwei Friedhöfe, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, markieren den Übergang zum modernen Friedhof. Sie fanden nicht nur zu ihrer Zeit im 18. Jh. große Aufmerksamkeit, sondern galten auch zu Beginn des 20. Jh. in der sog. Friedhofsreformbewegung geradezu als prototypisch. Beide Friedhöfe zeichnen sich durch Ordnung und Schlichtheit in der Grabgestaltung aus. Glaubensflüchtlinge aus Böhmen hatten sich auf Einladung von Nikolaus Graf von Zinzendorf in Hernnhut (Oberlausitz) niedergelassen und gründeten dort die nach strengen christlichen Regeln lebende Herrnhüter Brüdergemeinde. Ihr Friedhof sollte ein Sinnbild der Gleichheit der Menschen vor Gott sein und Ausdruck der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten. Auf dem von Wegachsen durchzogenen Friedhof sind nur kleine liegende Grabplatten zulässig. Sie bilden den schärfsten Gegensatz zur üppigen Grabskulptur der Barockzeit.

Lieblingsobjekte: Harry Kramers Brotköpfe

Kunstvoller Tod

Der Tod ist eines der großen Themen der Kunst. Doch ein einheitliches Todesbild, wie man es etwa in mittelalterlichen Totentänzen findet, existiert in der pluralistischen Gesellschaft nicht mehr. Entsprechend vielfältig und unterschiedlich ist die künstlerische Auseinandersetzung. Weil sich der Tod Erfahrung des Menschen entzieht, suchen Künstler nach Möglichkeiten, sich dieser letzten Erfahrung anzunähern. Oder sie hinterfragen sowohl die kollektiven als auch die individuellen Versuche, Erinnerungen Dauer zu verleihen. Mit Aktionen verweisen sie auf die Vermeidung des Themas in der Gesellschaft. Oder sie fragen mit leichter Ironie nach dem Sinn standardisierter Trauer- und Bestattungsriten. Die Autonomie der Kunst wird in einer Welt, in der Handlungsspielräume durch Gesetze, Verordnungen, Erlasse oder Normierungen eingeschränkt sind, genutzt, um Freiräume zu erobern.

Ganz in Schwarz

Um die Trauer auszudrücken, bildeten sich verschiedene Rituale. Sie werden hauptsächlich bei Bestattungen innerhalb der christlichen Liturgie sichtbar (z.B. Trauerpredigt, Gebete etc.). Das über lange Zeit wohl sichtbarste Zeichen von Trauer war die schwarze Trauerkleidung. Sie geht auf eine Kleiderordnung von Kaiser Karl dem Großen aus dem Jahr 808 zurück. Danach sollte die Trauerkleidung der Reichen – die einfache Bevölkerung hatte er noch nicht berücksichtigt – dunkel sein. Dies galt nur für den Moment der Beisetzung, entwickelte sich aber ab dem 16. Jh. In eine länger getragene Trauerkleidung. Im 19. Jh. Wurde sie schließlich in allen Sozialschichten üblich. Besonders markant war die im ländlichen Raum gebräuchliche Trauertracht. Sie gab Aufschluss über Trauerphase, Verwandtschaftsgrad sowie Tabus (z.B. Heiratsverbot, Tanzverbot). Es entstanden weitere Trauerartefakte, die auch dem Gedenken dienten und stets dunkel bzw. schwarz gefasst waren (z.B. Todesanzeigen, Trauerschmuck).

Lieblingsobjekte: Zimmerdenkmal

Zimmerdenkmal

Haare, Metall- und Glasperlen, Stoff, Pappe letztes Drittel 19. Jh. Neben Trauerschmuckstücken und Trauerbildern mit Haararbeiten waren im 19. Jh. auch dreidimensionale Zimmerdenkmale verbreitet. Die hier gezeigte Miniatur einer Grabstätte wurde u.a. aus Haaren in aufwendiger Handarbeit hergestellt und diente wahrscheinlich dem häuslichen Totengedenken. Die Darstellung eines Grabes, das von Trauerweiden überragt wird, war ein sehr beliebtes Motiv für die Herstellung von Totengedenken im ausgehenden 19. Jh.

Gedenkmünzen und Sterbemedaillen

Silber, Kupfer: geprägt Letztes Drittel 18. /19. Jh. Gedenkmünzen bildeten zeitgenössische Persönlichkeiten ab, wofür oftmals deren Tod Anlass bot (z.B. Ludwig van Beethoven). Weiterhin gab es Gedenkmünzen mit Totenschädeln oder anderen Symbolen der Vergänglichkeit. Sie standen im Dienst der Memento mori-Mahnung („Bedenke, dass Du sterblich bist!“) und konnten zugleich Insigne einer Leichenbruderschaft sein. Sterbemedaillen dienen hingegen zwar auch dem Gedenken, wurden aber als kleine Denkmale im Rahmen des Trauerzeremoniells und der Begräbnisfeierlichkeiten ausgegeben. Sie traten häufig im Zeitalter des Barock auf.

Schwarzer Trauerschmuck

Ketten, Ohrringe, Broschen Schwarzglas, Jet, Emaille 19. Jh. / frühes 20. Jh. Schwarzer Trauerschmuck kam im 19. Jh. auf. Zu seiner Popularität trug vor allem der englische Adel, insbesondere Queen Victoria (1837-1901) bei. Material und Farbe vermittelten neben der dunklen Kleidung den Gemütszustand der Trauer.

Schädel-Armreif mit Blechkiste - Bernhard Schobinger

Glas Blech 2008 Der Schweizer Schmuckdesigner Bernhard Schobinger erschafft seine Kreationen häufig aus Abfall und Alltagsgegenständen. Der Armreif entstand aus dem Glas grüner Giftflaschen aus Drogerien und Apotheken früherer Jahrzehnte. Aufgrund der darin aufbewahrten hochgiftigen Inhalte (z.B. Salmiak, Ameisen- oder Salzsäure) waren solche Flaschen mit einem Totenschädel über gekreuztem Gebein gekennzeichnet. Umgestaltet zu einem Schmuckstück liest sich das Motiv hingegen als Mahnung an die Vergänglichikeit (Memento mori) und ist dennoch dekorativ. Da der Begriff „gift“ im Englischen „Geschenk“ bedeutet, wird zusätzlich „eine todesverachtende Tollkühnheit“ (B. Schobinger) zum Ausdruck gebracht.

Memorialschmuck - Ringe und Schmuckdose

Silber, Gold, Perlen, Haar 18. Jh. Im Zeitalter der Aufklärung und sog. „Empfindsamkeit“, besonders zwischen 1780 und 1848 fand die Vanitas-Motivik Eingang in Schmuckstücke. D.h. Vergänglichkeitssymbole wie Gräber und Urnen wurden insbesondere auf Ringen abgebildet. Dadurch sollte im Sinne des „Memento mori“ (lat.: „Bedenke, dass Du sterben wirst!“) an die irdische Endlichkeit erinnert werden.

Micro-Urnen

sog. „Am-Urn-Lette“ Hersteller Fa. Völsing KG In diese kann ein Teil der Asche eingefüllt werden. Der Trauernde kann diese Miniurne dann zu Hause ausstellen oder als Anhänger um den Hals tragen. Die restliche Asche wird in einer normalen Urne bestattet. Trauerschmuck aus/mit Haaren Broschen, Kette, Ring Gold, Silber, Emaille, Haar 19. Jh. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurden Vanitas-Motive (z.B. Urnen, Gräber, Särge) auf Schmuck zunehmend seltener. Der säkularisierte Gedenkschmuck rückte die Erinnerung an einen Verstorbenen in den Vordergrund. Dabei spielte die Verwendung von Haar eine immer größere Rolle. Da Haar nicht vergeht, besaß es einen hohen Andenken- und Erinnerungswert. Erst mit Beginn des 20. Jh. geriet Schmuck aus bzw. mit Haaren außer Mode.

Lieblingsobjekte: Regalsarg

Trauertracht

Leinen Baumwolle, Samt Seide, Wolle Ende 19. Jh. In manchen ländlichen Regionen wurde bis teilweise weit ins 20. Jahrhundert hinein zur Beerdigung und während der Trauerzeit eine eigene Trauertracht getragen. Die hier gezeigte stammt aus Lindhorst im Schaumburger Land. Die Art der Tracht richtete sich nach dem Verwandtschaftsgrad und der Länge der Trauerzeit. Beim Tod von Eltern, Kindern, Geschwistern oder Ehepartnern wurden folgende Trachten getragen: - im 1. Trauerjahr „Volltrauer“ (Tracht ist fast ausschließlich schwarz) - im 2. Trauerjahr „Halbtrauer“ (leichte Änderungen der Trachtenbestandteile) - im 3. Trauerjahr „Austrauer“ (Tracht wird heller bzw. bunter) Starben entferntere Verwandte, begann man mit der Tracht, die die „Halbtrauer“ anzeigte. Die Exponate zeigen, dass die Trauertracht der Männer gegenüber der weiblichen Tracht vergleichsweise schlicht ausfiel.

Dr. Ulrike Neurath | Trauerkleidung

Dr. Ulrike Neurath | Stockhausen Särge

Stockhausener Särge

Als Erbbegräbnis der Familie Stockhausen diente die Sakristei der evangelischen Kirche in Trendelburg. Die Grablege wurde wegen Renovierung der Kirche 1977/78 geräumt. Die Särge gelangten zunächst ins Hessische Landesmuseum nach Kassel, später ins Museum für Sepulkralkultur. Bis Ende des 18. Jh. weisen die Särge eine reichhaltige Ikonografie, vor allem Vergänglichkeitssymbole auf. Vereinzelt abgebildet sind auch Engel-Köpfe, die das Seelengeleit sowie die Hoffnung auf Auferstehung symbolisieren. Auch Sterne kommen vor, die für den Himmel als Aufenthaltsort der Seele sowie für das geistige Licht im Gegensatz zur Finsternis stehen. Gestaltungsmerkmale sind außerdem das Familienwappen, Bibelverse sowie biografische Angaben. Erst die Särge des 19. Jh. sind schmucklos und ohne Inschriften. In den Särgen wurden auch verschiedene Kräuter gefunden. Sie sollten den Verwesungsgeruch überdecken. Mit Stroh gefüllte Kissen und aus Hobelspäne waren hingegen dafür gedacht, Flüssigkeit aufzusaugen.

Konduktsarg

Holz, Metall Maßstab 1:5 Nach einem Sarg aus der Zeit Joseph ll., um 1784 Konduktsärge dienten lediglich dem Transport Verstorbener zum Grablegungsort. Mittels Klappmechanismus am Boden, konnte der Leichnam direkt ins Grab hinabgleiten. Sie waren deshalb auch als „Ausschütttruhen“ oder „Sparsärge“ geläufig. Teils bis ins 19. Jh. waren Särge für ärmere Bevölkerungsschichten keine Selbstverständlichkeit. Aus finanzieller Not, vor allem aber in Krisen- und Seuchenzeiten griff man auf wiederverwendbare Särge zurück. Nach der Begräbnisreform durch Joseph ll. 1784 waren jene Särge für einige Jahre für alle sozialen Schichten in den österreichischen Gebieten verbindlich, wogegen jedoch bisweilen heftig protestiert wurde.

Dr. Ulrike Neurath | Särge

Im Dienst von Sterben und Tod

Starb ein Mensch und ist der Tod vom Arzt offiziell bestätigt, muss die Beisetzung organisiert werden. Was früher die Familie tat, übernimmt heute der Bestatter. Bis ins 20. Jh. hinein boten oft Nachbarn ihre Unterstützung an. Praktische Hilfe leisteten auch Leichenbitterinnen, indem sie Leichname wuschen und herrichteten. Aufgabe der Leichenbitter war es dann, einen Todesfall bekannt zu geben und die Einladungen zur Bestattung im Namen der Hinterbliebenen auszusprechen. Der Dienstleistungsberuf des Bestatters etablierte sich erst im Laufe des 20. Jh. Seine Wurzeln hat er im Fuhrwesen sowie im Tischler- und Schreinerhandwerk, bei denen nämlich früher der Sarg bestellt wurde. Oft halfen sie auch bei der Bestattungsorganisation. Heute gibt es viele weitere Berufe rund um Sterben und Tod, darunter Kranken- und Altenpfleger sowie Hospizmitarbeiter. Sie arbeiten in Institutionen, die inzwischen zu den gängigen Sterbeorten zählen. Das Sterben Zuhause ist dagegen seltener geworden.

Utensilien zur Pflege und Herrichtung des Leichnams

Schminke Geruchsblocker, Augenkappen, Watte Augenkappe, Kinnstütze, Einstreu 2008 Bestatter haben unter anderem die Aufgabe, einen Leichnam zu waschen, zu kämmen und ggf. zu rasieren. Manchmal müssen auch Wunden genäht und kaschiert werden. Geschminkt wird in der Regel nur dezent. Mithilfe von gewölbten Augenkappen, die unter das Lid geführt werden, bleiben die Augen geschlossen. Das Schließen des Mundes erfolgt mittels Kinnstütze, die den Unterkiefer nach oben drückt. Eine Kinnstütze wird nur kurz nach Todeseintritt verwendet, wenn Angehörige den Verstorbenen noch einmal sehen möchten. Der Mund selbst wird mit Füllwatte ausgeformt. Später wird der Mund vernäht. Nachdem der Verstorbene angekleidet worden ist, wird er in den Sarg gelegt. Dieser enthält neben der Sargwäsche ein flüssigkeitsbindendes Einstreumittel. Außerdem werden Geruchblocker verwendet, die versprüht oder unter die Sargdecke gegeben werden.

Uhr

Holz, Metall Um 1900 Uhren sind Zeitmesser, symbolisieren aber ebenso Vergänglichkeit. Im Volksglauben galt der plötzliche Uhren-Stillstand als Todesvorbote. Uhren wurden beim Tod eines Familienmitglieds aber auch angehalten, um die Unterbrechung des Alltags und die Abschiednahme zu signalisieren. An das Ticken der Uhren war wiederum oft die Befürchtung geknüpft, die Totenruhe würde gestört, die Seele käme deshalb nicht zur Ruhe und fände somit auch nicht den Weg ins Paradies.

Totenwaschschüssel

Irdenware; glasiert 2. Hälfte 19. Jh. Bis zur Etablierung des Bestatterberufs ab Ende des 19. Jahrhunderts, oblag die Totenfürsorge einschließlich Leichenpflege der Familie. Zur Leichenpflege gehörten Toilettenartikel wie Bürste, Kamm, Seife, Waschtücher, Rasiermesser und auch eine Waschschüssel. Nach ihrer Benutzung wurde sie zerschlagen oder ein Loch in deren Boden getrieben und aufbewahrt. Dies geschah, weil die Schüssel mit dem toten, als unrein angesehenen Körper in Berührung gekommen war und deshalb unbrauchbar gemacht werden musste, um Unheil abzuwenden. Die übrigen mit dem Leichnam in Berührung gekommenen Toilettenartikel wurden in den Sarg gelegt.

Kräuter

Lavendel, Rosmarin, Lorbeer; getrocknet Rezent Früher wurden Kräuter in den Sarg gegeben, um Verwesungsgeruch zu mildern. Manchen Kräutern wurde außerdem eine apotropäische, d.h. unheilabwehrende Wirkung nachgesagt. Des Weiteren besaßen manche Pflanzen eine religiöse oder sepulkrale Symbolik. Z.B. war Lavendel ein Symbol für Reinheit, Erinnerung und Abwehr des Teufels; Rosmarin für Gedenken, Liebe, Tod sowie Unsterblichkeit; Lorbeer für Reinigung, Frieden und Triumph.

Straßenkreuze - Wiederbelebung eines alten Brauches

Seit dem Ende des 20. Jh. dokumentieren Straßenkreuze Orte, an denen Menschen den Unfalltod starben. Insbesondere für die Angehörigen von jungen Verkehrsopfern sind die Gedenkstätten am Straßenrand oft wichtiger als das eigentliche Grab. Die Sitte, Unfallkreuze am Straßenrand zu errichten, ist ein in der Gegenwart neu entstandener Brauch. Obwohl schon Dissertationen zu diesem Thema geschrieben wurden, ist bis heute ungeklärt, wodurch er ausgelöst wurde. Nur formal knüpfen die Unfallkreuze an die Tradition der sog. Marterl an, die ebenfalls an Orten errichtet wurden, wo Menschen durch einen Unfall zu Tode kamen. Ihr Hintergrund war ein religiöser, denn die Marterl ermahnten den Vorübergehenden, ein Gebet für die Arme Seele zu sprechen, weil sie einen jähen Tod – ohne Empfang der Sterbesakramente – gestorben ist. Ohne geistlichen Beistand und ohne Sterbesakramente aus dem Leben zu scheiden, bedeutete den Verlust des Seelenheils.

Totenzettel

Lithografien 19. Jh. Totenzettel, auch Sterbebildchen genannt, sind eine besondere Form des Totengedenkens im Katholizismus. Sie wurden bzw. werden während der Trauerfeier an die Trauergemeinde herausgegeben oder mit den Danksagungskarten verschickt. Sie dienen der Erinnerung und als Aufruf zum Gebet für die Seele des Verstorbenen. So lange jeder Kirchenbesucher sein eigenes Gebetbuch besaß, wurden die ausgegebenen Totenzettel dort hineingelegt und aufbewahrt.

Marterl für eine Ertrunkene

Holz; farbig gefasst 1756 Marterl sind Erinnerungsmale an tödlich Verunglückte. Sie kamen vorrangig im katholischen Süden vor. Am Unfallort Vorbeiziehende waren zur Fürbitte angehalten, um das Seelenheil der Verunglückten zu befördern. Wer unvorbereitet, d.h. ohne Sterbesakramente aus dem Leben gerissen wurde, konnte nach katholischer Auffassung nämlich keine Ruhe und ewige Seligkeit finden.

Die Trauerfeier hat in aller Stille stattgefunden…

Der Lebensweg eines Menschen wurde früher mit einem christlichen oder, wie man es auch nannte, mit einem ehrlichen Begräbnis vollendet. Aus jeder Familie nahm mindestens einer am Leichenbegängnis teil, und wer dem Leichenzug begegnete, zog den Hut und blieb einen Moment stehen. Mit einem ehrlichen Begräbnis ist eine Bestattung gemeint, die traditionell öffentlich auf dem Friedhof begangen wird. Ausgeschlossen von einem solchen Begräbnis waren z.B. Verbrecher, Ungetaufte oder die Angehörigen sog. unehrlicher Berufe. Heute finden viele Bestattungsfeiern im engsten Familienkreis statt. Eine zunehmende Zahl von Menschen wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne jede Feier bestattet, z.B. bei der Bestattung von Obdachlosen. Dies nennen die Bestatter „einfacher Abtrag“. Auch die Kondolenz ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Immer häufiger formulieren Todesanzeigen: „Von Trauerbezeugungen am Grab bitten wir Abstand zu nehmen.“

Blumenbukette

Blech: farbig gefasst Frühes 20. Jh. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh. setzten sich frische Schnittblumen als Grabzierde in Vasen durch. Zuvor wurden oft künstliche Blumen und Bukette verwendet, z.B. aus Papier oder Blech.

Vom eigenen Grab zur anonymen Wiese

Im 19. Jh. war das eigene Grab für jeden Verstorbenen eine neue Errungenschaft. Bis dahin fanden die Toten der „unteren Schichten“ ihre letzte Ruhe oft in gemeinschaftlichen Gruben, und nur für die Privilegierten gab es Grabstätte und Grabstein. Ein Grabbrief vom Friedhof Ohlsdorf in Hamburg dokumentiert die Bedeutung des Grabes als wertvollen Besitz der Familie. Das Grab entwickelte sich zum Ort des Gedenkens und wurde entsprechend geschmückt. Solange Schnittblumen teuer waren, nutzte man industriell hergestellte Blechblumen. Heute scheuen viele Menschen den zeitlichen und finanziellen Aufwand für eine Grabstätte, weshalb sie sich für eine anonyme Beisetzung entscheiden – auch um ihre Angehörigen zu entlasten. Zunehmend beliebter wird auch die Bestattung im Friedwald. Diese Form der Naturbestattung wurde aus der Schweiz importiert. Neben der Seebestattung oder dem Verstreuen der Asche in der Natur signalisiert der Friedwald die beginnende Auflösung herkömmlicher Friedhofsstrukturen.

Gedenktafeln

Porzellan, Emaille, Fotokeramik 1850-1900 Seit 1850 war die Übertragung von Fotografien auf Porzellan oder Emaille möglich. Entsprechende mit Fotografien oder auch nur mit Inschriften versehene Täfelchen fanden daraufhin vor allem auf Grabstätten Anklang. Im Zuge der Friedhofsreformbewegung galten solche Gedenkzeichen spätestens ab Anfang des 20. Jahrhunderts als störender Kitsch und wurden verboten. Seit den 1990er Jahren erlebt die Fotokeramik allerdings eine Renaissance, insbesondere in romanischen Ländern.

„Heiner Schmitz“

Doppelporträt Walter Schels 2004 Hospize bieten Schwerstkranken die Möglichkeit, ihr Lebensende so schmerzfrei und bewusst wie möglich zu verbringen. Wer hier einzieht, weiß, dass er nicht in seine Wohnung zurückkehren wird. Durchschnittlich stehen in Deutschland 40 Betten je eine Million Einwohner zur Verfügung. Der Bedarf wird auf 50 Betten je eine Million Einwohner geschätzt. International wird er höher angegeben. Die Journalistin Beate Lakotta und der Fotograf Walter Schels baten unheilbar Kranke im Hospiz, sie in den letzten Tagen und Wochen begleiten zu dürfen. Aus diesen Begegnungen entstanden einfühlsame Porträts, die Bestandteil der Ausstellung „Nochmal leben vor dem Tod“ waren.

Rosenkranz-Ketten

Holz, Silber, Bein, Leinen 19. Jh. Rosenkranzketten sind Vers-Zählketten für das im katholischen Glauben beheimatete Rosenkranzgebet. Einige dieser Ketten haben Anhänger, die die Leidenswerkzeuge Christi darstellen. Diese spiegeln sogleich die Inhalte des Rosenkranzgebetes wider: Marienleben, Leidensweg, Jesu Christi, Auferstehung und Himmelfahrt.

Reliquiendosen

Holz, Glas, Folie, Flitter Metall 18/19. Jh. Reliquien dienten der Verehrung Heiliger. Ihnen wurde zugleich eine von den Heiligen ausgehende Wirkkraft zugesprochen. Kleinste Reliquienpartikel wurden in Dosen bzw. Kapseln aufbewahrt und dienten dem persönlichen Schutz. Amulette oder Skapuliere (kissenförmiges Amulett über dem Ordensgewand) wurden aus den gleichen Gründen verwendet."

Vom Rosenkranz zum Vorsorgevertrag

Für den Menschen zählt die Gewissheit des Todes zum ständigen Begleiter. „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen…“ lautet der Kehrvers im AVE MARIA des katholischen Rosenkranzgebetes. Die Gebetszählschnur – der Rosenkranz – erinnert an diese Bitte um Schutz in Nöten. Dieser kostbare Rosenkranz besitzt aus Elfenbein geschnitzte Anhänger, die die Leidenswerkzeuge Christi zeigen – auch Waffen Christi genannt – mit denen er Tod und Teufel überwand. Ein Skapulier (lat. Schulterkleid) war ursprünglich Teil einer Ordenstracht. In der Volksfrömmigkeit waren es kleine Stofftäschchen, mit schützenden Reliquien und Heiligenbildchen versehen, die man an Bändern bei sich trug. Heute tragen viele Menschen einen Organspendeausweis bei sich oder haben im Hinblick auf den eigenen Tod ein Testament verfasst und einen Vorsorgevertrag abgeschlossen.

Betrachtungs- und Memento-Särglein

Holz, Glas, Folie, Flitter, Metall, Wachs 18./19. Jh. Kleine Särge mit teils miniaturisiertem Leichnam, die den Betrachter zu einer gottgefälligen Lebensführung angesichts irdischer Endlichkeit gemahnen sollten (Memento mori)."

„Spiegel OM WEL TE STERVEN“

loannes Stichter Amsterdam 1694 Das Buch zählt zu den bekanntesten Beispielen der Literaturgattung „Ars moriendia“ (die Kunst des guten bzw. richtigen Sterbens). Es ist eine Art Ratgeberliteratur, die die Gefahren der Sterbestunde erläutert und Anweisungen zum guten und richtigen Verhalten im Sterben gibt.

Die Vorstellungen von einem "guten Tod"

"„Gedenke, dass du sterblich bist!“ (lat.: „Memento mori“!) Seit der Renaissance machten sich Menschen mittels sogenannter „Memento mori Objekte“ diese Tatsache bewusst. Charakteristisch sind die sogenannten Betrachtungs- oder Tischsärglein aus der Zeit zwischen dem 17. und 19. Jh.. Neben der Mahnung zu einem frommen Leben drückten solche Gegenstände den Wunsch aus, einen guten, bewussten Tod sterben zu dürfen, um mit den heiligen Sterbesakramenten versehen werden zu können. Heute ist die Vorstellung von einem „guten Tod"" eher geleitet von der Hoffnung, zumindest schmerz- und angstfrei sterben zu können. Ein Sterben in Würde und Selbstbestimmung zu ermöglichen, ist Ziel der Hospizbewegung. Hospiz bedeutet so viel wie Herberge. Zu unterscheiden sind stationäre und ambulante Hospize. Letztere wollen die letzte Lebensphase im häuslichen Umfeld ermöglichen. Schmerzlinderung und -kontrolle ist das Ziel der Palliativmedizin. Der Begriff leitet sich ab vom lateinischen „Pallium“ = „Mantel“."

Sterbebett

Unbekannter Künstler Öl auf Leinwand Ende 18/Anfang 19. Jh. Der HI. Joseph galt als bevorzugter Sterbepatron, weil ihm die Gnade zuteilwurde, im Beisein von Jesus und Maria zu sterben. Aus diesem Grund wurde er in Todesnöten angerufen. Daraus resultiert auch der volksfromme Notschrei „Jesus, Maria und Joseph“.

Sterbe- und Standkreuze

Holz, Metall, Silber, Alabaster 18/19. Jh. Dem Sterbenden diente ein in seine Hände gelegtes Kreuz als Beistand und gelangte mit dessen Tod häufig mit in den Sarg. Sterbekreuze sind relativ schlicht und häufig mit dem Gekreuzigten sowie der Inschrift „lNRI“ (lesus Nazarenus Rex ludaeorum: Jesus von Nazareth, König der Juden) versehen. Kleine Standkreuze sind hingegen sichtbarer Ausdruck von Frömmigkeit und werden im privaten Bereich aufgestellt.

Weihwasserkessel mit Versprüherstab

Silber Um 1900 Vor allem in der katholischen Frömmigkeitspraxis findet Weihwasser viel Verwendung. Beispielsweise soll es die Not der Armen Seelen im Fegefeuer lindern. Darüber hinaus werden Sarg und Trauergemeinde wāhrend der Totenmesse mit Weihwasser besprengt. Durch Weihwasser wird aber auch die Taufe wiederholt.

Lieblingsobjekte: Großvater geht

Gut vorbereitet? Die Sterbestunde

Im Christentum entschied sich in der Sterbestunde, was die Seele im Jenseits erwarten würde: Ewige Seligkeit oder Ewige Verdammnis. Umso wichtiger war es, auf diesen Moment vorbereitet zu sein. Der plötzliche Tod ängstigte deshalb die Menschen im Mittelalter. Die Beschäftigung mit der „ars moriendi“, der „Kunst des (guten) Sterbens“ war eine Anleitung zur Lebensführung und eine Hilfestellung beim Sterben, das ohne geistlichen Beistand nicht gelingen konnte. Vergebung der Sünden, Salbung und Kommunion wurden als „Versehgang“ oder „Letzte Ölung“ bezeichnet. Bis ins 20. Jh. hinein besaßen katholische Familien die dafür nötigen Utensilien. Durch den medizinischen Fortschritt steigt die Lebenserwartung nach wie vor an. Heute führen v.a. langwierige Krankheiten zum Tod. Nicht mehr der plötzliche Tod wird heute gefürchtet, sondern als Pflegefall im Krankenhaus zu sterben. Um ein Sterben zu Hause zu ermöglichen, unterstützen seit den 1970ern Hospizhelfer Sterbende und ihre Familien.

Totentanz Harald Naegli

Foto von Graffiti 1981 (?) Der Schweizer Harald Naegli wurde Ende der 1970er Jahre als „Sprayer von Zürich“ bekannt. Nicht nur dort, sondern auch im Kölner Stadtbild hinterließ er 1980/81 seine gesprayten Totentänze. Die Stadtreiniger entfernten sie immer wieder. Eine Ausnahme bildet das Gerippe am zugemauerten Portal der St. Caecilienkirche, hinter dem sich das Schnütgen-Museum für mittelalterliche Kunst befindet. Auch das Museum für Sepulkralkultur besitzt zwei original gesprayte Totentänze von Naegli an der Außenfassade der Museums.

Das "Letzte Hemd"

Wovor sich heute die Menschen scheuen, dem haben sich früher viele gestellt: der eigenen Todesvorsorge. So war der eigene Sarg zu Lebzeiten keine Seltenheit und schon gar nicht der Besitz eigener Totenkleidung. Bis Anfang des 20. Jh. gehörte das „Letzte Hemd“ sogar zur Aussteuer. Zeitgenössische Designer knüpfen an diese längst vergessene Sitte an, indem sie Totenkleidung entwerfen, die der Individualität eines Menschen Ausdruck verleihen sollen. Damit bilden sie einen Gegensatz zur rückenfrei geschnittenen Sterbewäsche (sog. Talare), die Bestatter hauptsächlich aus pragmatischen Gründen verwenden. Zur Vorsorge zählte auch die Finanzierung der eigenen Bestattung. War man Mitglied in einer Zunft oder Bruderschaft, konnten über eine regelmäßige Einzahlung die Kosten für das eigene Begräbnis sichergestellt werden. Heute muss man einer Sterbekasse beitreten, um die eigene Bestattung finanziell abzusichern. Alternativ dazu bieten auch Bestattungsinstitute und Versicherungen Vorsorgeverträge an.

Der Zizenhausener Totentanz

Das Figuren-Konvolut umfasst drei Leitmotive und weitere 39 Totentanz-Paare. Sie sind ein dreidimensionales Abbild des um 1440 als Wandmalerei an der Friedhofsmauer des Baseler Predigerklosters entstandenen Totentanzes (sog. Baseler Totentanz). Er zeigt, wie der teils mit Musikinstrumenten ausgestattete Tod zusammen mit den einzelnen Vertretern der mittelalterlichen Ständeordnung in einen Reigen tritt – die daraus resultierende Botschaft: im Angesicht des Todes sind alle Menschen gleich! 1805 wurde die Wandmalerei zerstört. In Rückbesinnung darauf entstanden Figuren-Ensembles aus Ton in der Keramikmanufaktur von Anton Sohn (1769-1841), die im Zizenhausen bei Stockach (Bodensee) ansässig war.

Totenschädel mit Schlange

Der Miniatur-Totenschädel mit sich hindurch windender Schlange ist als Vanitas- bzw. Memento-Mori-Objekt zu verstehen. Der Schädel versinnbildlicht den Tod. die Schlange steht für den Sündenfall Adams, durch den der Tod, nach christlicher Auffassung, in die Welt kam .

Vanitas-Stillleben

Vanitas (lat. Eitelkeit, auch Nichtigkeit, Vergänglichkeit) bedeutet, im Angesicht des Todes Besitztum bzw. Reichtum nicht als oberstes ideelles Gut zu erklären. Mit verschiedenen Vergänglichkeitssymbolen, z.B. Totenschädel, Seifenblasen, abgeschnittene Ähren oder auch einer heruntergebrannten Kerze wird auf die Endlichkeit irdischen Lebens aufmerksam gemacht. Eine gottgefällige Lebensführung sollte nämlich das wesentliche Lebensziel sein, da es in der Erfahrung des Seelenheils seine Belohnung findet.

Transi-Statuette

Seit dem 15. Jh. kommt der Tod nicht ausschließlich als skelettierter, sondern ebenso als verwesender Leichnam (Transi) zur Darstellung. Die Statuette wurde vermutlich für Kaiser Maximilian I. (1459-1519) angefertigt und gelangte später in den Besitz von Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595). Sie gehören zur Sammlung von Schloss Ambras (Innsbruck/Österreich).

Michael Wolgemut (1434-1519) Der Tanz der Gerippe

Die Darstellung wurde 1493 innerhalb der sog. Schedelschen Weltchronik des Nürnberger Arztes und Humanisten Hartmann Schedel (1440-1514) veröffentlicht. Es handelt sich dabei um eine Illustration der Weltgeschichte, die nach sieben Weltaltern untergliedert ist. Inhaltlich wird der Bogen von der Erschaffung der Welt über die Geburt Jesus Christus bis hin zum Weltuntergang gespannt. Die ‚Schedelsche Weltchronik‘ ist auch unter dem Namen ‚Nürnberger Chronik‘ geläufig.

Fahne, Trommel und Quittungsbuch

Leichenbruderschaft Elgershausen Im Jahr 1620 wurde die Leichenbruderschaft in Schaunburg-Elgershausen bei Kassel gegründet. Sie ist Landgraf Moritz zu verdanken. Dieser passierte das Dorf oft auf seinen Jagdausflügen. Dabei stellte er immer wieder bestürzt fest, dass Verstorbene nicht in Särgen, sondern nur in Stroh gewickelt, beigesetzt wurden. Die Gründung der Bruderschaft war besiegelt, indem er etwas Kapital, später noch eine Fahne und Trommel stiftete. Die Trommel und Fahne wurde bei den Leichenzügen durch die Bruderschaftsmitglieder mitgeführt. Die Elgershäuser Leichenbruderschaft existiert noch immer, heute in Form einer Sterbekasse.

Vom Knochenmann zum Thanatos

Vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit wurde der personifizierte Tod als Knochenmann mit oder ohne Sense, als Totenschädel oder als verwesender Leichnam dargestellt. Mit einer sich wandelnden Geisteshaltung und unter dem Einfluss der Romantik, änderte sich diese Darstellung zum Ende des 18. Jh. allerdings. An die Stelle des Furcht einflößenden Sensenmanns trat nun ein schöner Jüngling: Thanatos. In der griechischen Antike verkörperte er den Bruder des Schlafes (Hypnos). Oft stützt sich Thanatos auf eine nach unten gekehrte Fackel. Außerdem trägt er Mohnkapseln bei sich. Fackel und Mohnkapseln versinnbildlichen das verlöschende Leben und den ewigen Schlaf. Dem Thanatos-Todesbild liegt maßgeblich die Studie „Wie die Alten den Tod gebildet“ von Gotthold Ephraim Lessing (1769) zugrunde. Sie befasst sich mit dem Tod am Beispiel antiker Symbole und Altertümer. Lessing formte daraus eine neue Todesmotivik, die später in veränderten Grabmalformen und Trauerbildern sichtbar wurde (z.B. Säulen, Obelisken, Pyramiden, Sarkophage, Urnen). Sie bedeutete keinesfalls eine Abkehr vom christlichen Auferstehungsgedanken."

Lieblingsobjekte: Zwei Tödlein

Einstieg über Zahlen

Mit welchen Worten darüber sprechen?

Das Grab

Eine Frage des Blickwinkels

Kulturelle Transformation

Assistierter Suizid

Handlungsdruck

Trauer

Verlust

Katrin Oppelt (DE) Dark Side – A Children’s Book (2019)

Illustrierter Gedichtband Leihgabe Katrin OppeltLisa Oppelt verfasste die Geschichte Dark Side 2016/2017 während ihres Aufenthaltes an einer Highschool in Georgia, USA. Als Ich-Erzählerin unternimmt sie darin eine Reise durch die Nacht, gefolgt von einem dunklen Schatten, um am Ende in ihrem Bett erleichtert zu erwachen. Die Illustrationen fügte Katrin Oppelt der Geschichte hinzu, nachdem sich ihre Tochter Lisa im Jahr 2018 das Leben genommen hatte. So erzählt Dark Side gleichsam die Geschichte vom Verlust der Tochter. Katrin Oppelt ist in der Arbeitsgemeinschaft Suizidprävention Augsburg & Schwaben e. V. aktiv. Wie sie, engagieren sich viele Suizidhinterbliebene in der Beratung, Aufklärung und Unterstützung von Menschen mit ähnlichem Schicksal oder suchen Austausch in Gruppen wie dem AGUS e. V. (Angehörige um Suizid).  

Suizid und die Covid-19-Pandemie

Im Rahmen der Corona-Pandemie nahm die psychische Belastung durch soziale Isolation, finanzielle Verluste, Arbeitsplatzverlust und andere psychosoziale Einschränkungen zu. Für sich genommen können alle diese Faktoren die Suizidwahrscheinlichkeit erhöhen. In wissenschaftlichen Studien konnte für bestimmte Gruppen, wie Jugendliche und psychisch Kranke, eine Zunahme an Einsamkeit, Depressivität und Ängsten festgestellt werden. Menschen begeben sich aus vielen Gründen, z. B. aus Angst vor Ansteckung, nicht in notwendige Behandlungen, was ihre körperlichen und psychischen Erkrankungen verschlechtern kann. Die Belastungen betreffen also besonders Gruppen, für die bereits ein erhöhtes Suizidrisiko besteht. Trotz dieser Befunde sind bisher keine gesicherten Daten bekannt, die auf eine Erhöhung der Suizidraten im Rahmen der Pandemie in Deutschland hinweisen könnten. Vielmehr gibt es erste Hinweise darauf, dass die Suizidraten im Jahr 2020 nicht angestiegen sind. Ein wirksames Gesundheits- und Sozialsystem scheint dabei eine schützende Rolle zu spielen. Welche langfristigen Folgen die Pandemie auf die Gesamtbevölkerung, besonders aber auf bestimmte Risikogruppen für Suizid haben kann, bedarf der weiteren wissenschaftlichen Untersuchung.  

Suizidprävention

Todesanzeigen nach Suizid

Die Texte wurden zur Verfügung gestellt von Kracheletz Bestattungen oder stammen aus dem Bestand des Museums für SepulkralkulturEin anschauliches Beispiel für die Sprachlosigkeit rund um den Suizid ist die Todesanzeige. Zwar gehört die Nennung der Todesursache nicht zu den Standardinformationen dieser Textsorte, dennoch wird sie durch Begriffe wie Krankheit, Unfall oder tragischer Unglücksfall des Öfteren erwähnt. Anders verhält es sich bei Tod durch Suizid. Er wird fast nie (eindeutig) benannt. Oder er wird sprachlich so stark verhüllt, dass kaum erkennbar ist, ob nun ein Suizid vorliegt oder nicht – etwa durch Formulierungen, die die Schwere der Trauer oder eben das Fehlen von Worten zum Ausdruck bringen. Mit der Todesanzeige wenden sich die Hinterbliebenen an die Öffentlichkeit, um ihren Verlust zu teilen oder sich etwa für den Beistand anderer zu bedanken.

Michelle Mortimer (AUS) Für Marlene (2016)

Trauerkarte © Anonym/Michelle MortimerDie Verfasserin des abgedruckten Gedichts, Michelle Mortimer, war 2003 Marlenes Gastmutter, als jene sich mit 16 Jahren einige Monate zu einem Schüleraustausch in Brisbane (AUS) aufhielt. Marlene hat sich bei der Familie sofort wohlgefühlt, genauso wie ihre australische Gastschwester ein Jahr zuvor bei Marlenes Familie in Kassel. Die jungen Mädchen verstanden sich sogleich und fortdauernd bis zu Marlenes Tod. Zwischen beiden Familien besteht ungeachtet der Entfernung bis heute eine tiefe Freundschaft. Das vertraute Verhältnis und der Schock über die Nachricht von Marlenes Tod zeigt sich in dem Gedicht. Der Text wurde 2016 auf die Trauerdanksagungskarten aufgenommen und dafür ins Deutsche übersetzt. Das Foto zeigt Marlene im Sonnenuntergang, fotografiert von ihrer jüngeren Schwester bei einer gemeinsamen Reise.

Edgar Martins (PRT) Letters of Departure: Written on Architectural Plans Send by Fax In The Form of a Will Aus der Reihe Suicide Letters (2016)

C-Prints Leihgabe Purdy Hicks Gallery & Galeria Filomena SoaresDie Suicide Letters sind Teil einer Auseinandersetzung des Künstlers mit forensischem Material des Nationalen Instituts für Rechtsmedizin und Forensische Wissenschaften (INMLCF) in Lissabon. Das daraus entstandene Großprojekt trägt den Titel Siloquies and Soliloquies on Death, Life and Other Interludes (Schlussfolgerungen und Selbstgespräche über Tod, Leben und andere Zwischenspiele). Die Suicide Letters – Abschiedsbriefe vor einem Suizid – standen dem Künstler, der am Royal College of Art in London studierte, während seiner dreijährigen Zusammenarbeit mit dem INMLCF zur Verfügung. Die Abbildungen entstanden mit hochauflösenden medizinischen Scannern, die nur den Rand der Dokumente erfassten. Die Titel der Arbeiten nennen den Träger, auf den sie jeweils geschrieben wurden.  

Trauer-Reden nach dem Abscheiden seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Adolf Friedrich VI. von Mecklenburg-Strelitz (1918)

Historisches Dokument Museum für SepulkralkulturIm Jahr 1918 wurde der Leichnam des Großherzogs Adolf Friedrich VI. von Mecklenburg-Strelitz aus einem Gewässer unweit seines Wohnsitzes geborgen. Laut Leichenschaubericht soll sich der 35-Jährige in den Kopf geschossen haben, sodass er bewusstlos geworden und ins Wasser gefallen sei und ertrank. Zudem wurde attestiert, dass er sich aufgrund „geistiger Umnachtung und unter Aufhebung der freien Willensbestimmung“ suizidiert habe. Die Gefahr, dem Adligen könnte ein christliches Begräbnis verwehrt werden, wurde auf diese Weise gebannt. Denn das Urteil auf Unzurechnungsfähigkeit machte den Suizid zu jener Zeit in der Regel straflos. Auch der Hofprediger bezog sich in seinen Traueransprachen wiederholt darauf. Zudem betonte er immer wieder die tiefe Gottgläubigkeit und Frömmigkeit des Verstorbenen, so als bezöge die Zuversicht auf göttliche Vergebung daraus ihre Legitimation.

Abschiedsbriefe von Suizident*innen

Abschiedsbrief Soldat Wilhelm von Schlieffen (1817) © Deutsches Historisches Museum Abschiedsbrief eines Offiziers der kaiserlichen Armee (1918) © Deutsches Historisches Museum Abschiedsbrief Tante Dör (1960) © Markus Brandenburg Abschiedsbrief Lisa Oppelt (2018) © Katrin OppeltSuizident*innen hinterlassen oftmals Abschiedsbriefe. Hinterbliebenen sind sie wichtige und bewahrenswerte Dokumente, denn die letzten übermittelten Worte erklären zumeist die Motive des Suizids. Posthum können sie durchaus Einfluss auf die Gesellschaft nehmen, etwa wenn sozio-politische Missstände zum Suizid geführt haben. Zumindest besaßen sie ein solches Potenzial etwa im bürgerlichen Zeitalter, indem sie bisweilen in der Presse abgedruckt wurden. Abschiedsbriefe erfüllen auch den Zweck, die eigenen Gedanken zu ordnen, sich Luft zu verschaffen sowie um Verzeihung zu bitten. In früheren Jahrhunderten wurde zumeist auch die Hoffnung auf Gottes Gnade formuliert. Abschiedsbriefe bieten einen Ansatz des Verstehens, obgleich der Suizid eines Menschen für An- und Zugehörige lange unbegreiflich bleibt und einen Einschnitt von enormer emotionaler Tragweite bedeutet.  

Georg Kolbe (DE) Telegramm an Julia Hauff (1937)

Historisches Dokument © Georg Kolbe MuseumGeorg Kolbe war ein deutscher Bildhauer, der für seine tänzerischen Bronzefiguren Berühmtheit erlangte. Nach dem Suizid seiner jüngsten Schwester, Gertrud, schuf er erstmals eine vollkommen erstarrte Mädchenfigur mit schreckgeweiteten Augen. Dieses Telegramm schreibt Kolbe fünf Jahre danach, als auch seine zweitjüngste Schwester, Margarete, sich das Leben nimmt. Adressatin ist, wie in vielen seiner Korrespondenzen, seine Schülerin und Freundin Julia Hauff, ebenfalls Bildhauerin. Er berichtet darin von diesem zweiten Unglück und betont: „Und wenn ich schweigen möchte und will, so ist dies ein Abbild meiner Tage“.  

Oskar Schlemmer (DE) Manuskript (1913)

Tinte, Papier © Staatsgalerie Stuttgart/bpk-Bildagentur Originalgröße 9,5 × 22,8 cmEin abgerissener Zettel des deutschen Künstlers Oskar Schlemmer im Alter von 25 Jahren. Zu lesen ist: „Etwas hält mich vom Selbstmord ab: die Neugier auf mich selber wohin das führt, wenn ichs so weitertreibe. Lichtenberg: der hinter manchen Berg das Licht führt wie Stauffer Bern, in seinen Naturbildern sich nur üben wollte einmal seine Phantasien darstellen zu können daß sie rechten Phantasten Naturalisten werden.“ Schlemmer ist vor allem für seine Arbeit am Bauhaus Weimar und Dessau, u.a. das Triadische Ballett, berühmt geworden. Er starb 1943 an einer Herzlähmung. Ein Suizidversuch ist nicht bekannt, doch die menschliche Möglichkeit des Suizids zeigt sich in dieser scheinbar beiläufigen Notiz des Künstlers in seiner Allgegenwart und als Thema, das den meisten einmal zumindest gedanklich begegnet.

Der Suizid in der Berichterstattung

Suizid war immer Teil der öffentlichen Berichterstattung. Um Abschreckung zu erzeugen, wurde er dabei lange als Todsünde oder als Akt der Verantwortungslosigkeit angeprangert. Solche Diffamierungen finden sich etwa in Deutschland noch bis ins 20. Jahrhundert. Der Deutsche Presserat legt 1997 erstmalig in Deutschland Richtlinien vor, wie über Suizid berichtet werden darf. Sie heben den Schutz der Persönlichkeitsrechte über das öffentliche Interesse. Dabei ist zu vermeiden, Namen, Fotos und nähere Begleitumstände zu publizieren. Neben dem Persönlichkeitsschutz spricht auch der „Werther-Effekt“ für eine sorgsame Berichterstattung. Denn es wird angenommen, dass nachvollziehbar wirkende Darstellungen von Suiziden oder vermeintlichen Beweggründen suizidale Menschen zur Nachahmung bewegen können. In vielen Ländern ist die Berichterstattung über Suizid geregelt. Neuseeland etwa verbietet sie bei Geldbuße, bis die Gerichtsmedizin eine Freigabe erteilt.

Codex Dresdensis (Dresdner Mayahandschrift) (ca. 1200) Abbildung von Ixtab

© Sächsische Landesbibliothek/ Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Public Domain Mark 1.0 Originalgröße 20,5 × 10 cmDer Codex Dresdensis ist eines der wenigen handschriftlichen Zeugnisse der Maya. Er wird auf 1200 bis 1250 datiert und umfasst 39 doppelseitig beschriebene Blätter. Hier gezeigt ist die Göttin Ixtab („Frau des Stricks“). Sie trägt eine Schlinge um den Hals, die Augen sind geschlossen und das Gesicht zeigt Spuren einsetzender Verwesung. Wir sehen die Göttin der Kindbetttoten, der Geopferten, der Priester, der gefallenen Krieger. Auch die durch Suizid Verstorbenen stehen in ihrer Obhut. Eigentlich dürfen die Maya nach ihrem Glauben erst nach einer leidens- und prüfungsvollen Zeit in der neunstufigen Unterwelt Xibalba in die himmlische Welt aufsteigen. Für die von Ixtab Begleiteten gilt dies nicht: Sie dürfen ohne Umweg ins Paradies und sich von ihrem Leid auf der Erde ausruhen.

Alexander Ver Huell (Zuschreibung) (NL) Zelfmoord (um 1850)

Lithografie mit Tonplatte Museum für SepulkralkulturDas Blatt trägt den niederländischen Titel „Zelfmoord“, zu Deutsch „Selbstmord“. Es zeigt Einzelszenen zum Tod durch Krieg und Gewalt und kann unterschiedlich gedeutet werden. Möglicherweise soll es zeigen, wie sich die Menschheit selbst zugrunde richtet und ist als warnende und mahnende Anklage zu begreifen. Denkbar ist auch, dass das geflügelte Wesen eine (reale) Herrscherpersönlichkeit darstellt, dessen Politik großes Leid über die Menschen gebracht hat. Dann ließe sich der Titel „Zelfmoord“ als Aufforderung an diesen Herrscher selbst verstehen. Dass die dämonische Gestalt verschiedene Utensilien zur Selbsttötung in Händen hält, unterfüttert den Ansatz, dass das Blatt den gewaltvollen Todesarten auch diverse Möglichkeiten des Suizids zufügt. Trotz seiner etwas rätselhaften Bedeutung ist es die einzige Grafik und das einzige Objekt, welches sich in unserer Sammlung – vor 2021 erfolgten Ankäufen im Rahmen dieser Ausstellung – eindeutig dem Thema Suizid zuordnen ließ: eine Leerstelle, die es dringend zu füllen gilt.  

Wilson Bigaud (HTI) Zombies (1953)

Öl auf Masonit © Figge Art Museum, City of Davenport Art Collection, Friends of Art Acquisition Fund Originalgröße 24 × 20 cmWilson Bigaud bezieht sich mit diesem Gemälde auf die Sklavenarbeit auf haitianischen Plantagen. Dass wir beim Thema Suizid nicht um die Zombie-Figur herumkommen, hat eine tragische und fast vergessene Bewandtnis: Der Zombie entstammt der Androhung der Kolonialherr*innen, dass Sklav*innen nach einem Suizid als ewig Untote wiederkehren und für immer auf den Plantagen arbeiten müssten. Der häufige Suizid von Sklav*innen nahm der Kolonialwirtschaft vermeintliches Eigentum und Arbeitskraft. Eigentlich ist der heute populäre Zombie also eine politisch aufgeladene Figur und eine Erinnerung an die psychische Gewalt an versklavten Menschen, für die ein vorzeitiges Sterben als ersehntes Ende des Leids und Rückkehr in die geraubte Heimat im Jenseits mit der Aussicht auf noch größeres Leid vertauscht wurde.

Benjamin Chukwuemeka Akachukwu (NGA) Forms From My Sky, no. 60 (the depressed) (2018)

Acryl und Küpenfarbstoff auf Leinwand Museum für SepulkralkulturDas Gemälde ist Teil der umfangreichen Reihe Forms From My Sky. Darin bearbeitet der Künstler und Dichter, der Kunst und Gender Studies studierte, soziale, religiöse, politische und kulturelle Fragen. Die Leinwand wurde mit Küpenfarbstoff vorgefärbt und mit Acryl bemalt. Wie beim Blick in die Wolken, die sich wie ein Spiegel der Psyche zu Formen fügen, nimmt der Künstler Themen und Schwingungen der Gesellschaft auf. Hier ist es die stigmatisierte und oftmals mit dem Suizid verknüpfte Krankheit Depression, die er ansprechen möchte. The Depressed bezieht sich zudem auf den 1958 erschienenen Debütroman Things Fall Apart des nigerianischen Schriftstellers Chinua Achebe. Er dreht sich um (fiktive) Geschehnisse in einem Dorf der Volksgruppe der Igbo in Nigeria, die sich auf den Suizid eines verzweifelten Dorfbewohners angesichts des schadhaften Einflusses der Kolonialmächte zuspitzen.  

Shelley Jacobson (NZL) Sea of Trees (2010) 100–700 metres

C-Prints Leihgabe Shelley JacobsonDie Künstlerin lebte 2009 und 2010 in Japan und kam dort mit dem Aokigahara-Wald am Fuß des Fuji in Berührung. Der Wald hat weltweit eine traurige Berühmtheit erlangt, denn er gilt aufgrund seiner Dichte und Düsternis als begehrter Ort für Suizident*innen. Aufklärungsgruppen müssen regelmäßig ihre Körper bergen. Um sich von der sensations- fixierten und horrorlüsternen Film- und Medienwelt rund um diesen Ort loszusagen, spazierte die Künstlerin je einen Kilometer weit durch den dichten Wald und auf einer am Waldrand verlaufenden Landstraße entlang. Dabei schuf sie unverklärte Bilder, die auch danach fragen, wie derartige Orte wie der Aokingahara-Wald jenseits von Stereotypen und Sensationslust dargestellt und diskutiert werden können.  

Uwe Spiekermann (DE) Zeichnungen und Grabmalmodell (2021) Fotos (2014)

Leihgabe KHS Grabmale SpiekermannDie Grabstätte ist ein Ort, an dem Hinterbliebene trauern und kommunizieren können. Ob ein solcher Ort seine Aufgaben erfüllt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob und wie die Betroffenen mitwirken und Erinnerungen an die Verstorbenen einbringen können. Das hier gezeigte Modell ist ein Entwurf des Grabmalgestalters Uwe Spiekermann für das Grabmal eines jungen Mannes, der durch Suizid verstarb. Es zeigt zahlreiche Elemente, die den Toten repräsentieren, wie Herz, Stern und Mond, mit denen er seine Bilder und Gedichte signierte, sowie Mulden für Glasperlen, die Besucher* innen auf der Stele ablegen können. Das Grabmal wurde von der Schwester des Toten dreimal gespalten – ein durchaus aggressiver Akt, in dem auch die Wut nach einem Suizid einen ästhetischen und nicht verschwiegenen Ausdruck findet.  

Jaan Toomik (EST) Oleg (2010)

Spielfilm, 20:55 min Leihgabe Jaan ToomikJaan Toomik wurde durch seine Gemälde, Installationen und später durch seine Videoarbeiten zu einem der bekanntesten Künstler Estlands. Das autobiografische Werk Oleg (2010) ist sein zweiter Spielfilm. Die Hauptfiguren sind zwei junge estnische Soldaten in der sowjetischen Armee in den 1980er Jahren: Oleg und Pärt. Sie stellen den Künstler und seinen Kameraden Oleg Portnoi dar. Der Film ist als eine Hommage an Oleg Portnoi zu verstehen, der sich im Frühjahr 1982 während seines Dienstes in der Sowjetarmee erschoss. Im Film kann das Alter Ego des Künstlers das Grab seines Kameraden viele Jahre nach dessen Tod besuchen. In der Realität ist ihm der Ort jedoch unbekannt, und der Abschied am Grab konnte nie stattfinden.  

Åsmund S. Laerdal (NOR)/ Laerdal Medical Resusci Anne QCPR (1960er und 2018)

Zwei Reanimationsmodelle Leihgabe Laerdal MedicalDer Spielzeugfabrikant Åsmund S. Laerdal entwickelte zusammen mit Mediziner*innen im Jahr 1960 eine Trainingspuppe zur Wiederbelebung. Dieses Modell wurde stetig weiterentwickelt und trägt seitdem den Namen Anne. Das Gesicht basiert auf L’inconnue de la Seine, die in den 1920er Jahren aus der Seine geborgen wurde. Ihre Totenmaske wurde vielfach reproduziert und war tatsächlich ein beliebtes Wohnaccessoire. Laerdal sah diese Totenmaske als Wandschmuck in der großelterlichen Wohnung. Auch ihn muss beeindruckt haben, wie in diesem Gesicht das Leben den Tod kaschiert. Wohl deshalb gestaltete er auch Anne nach ihrem Vorbild, um so die Hemmungen vor „toten“ Menschen zu nehmen und das Erlernen von Reanimationstechniken zu erleichtern. Nachfolgemodelle wiesen allerdings immer weniger Annes Gesichtszüge auf. Aus ihnen wurde stattdessen das Abbild einer fast beliebigen Person, die viele Menschen Tag für Tag in Erste-Hilfe-Kursen „wiederzubeleben“ versuchen.  

Henry Wallis (UK) Death of Chatterton (1856)

Gemälde als Postkartenmotiv Museum für SepulkralkulturDas Gemälde zeigt den jungen Dichter Thomas Chatterton tot auf seinem Bett. Armut und fehlende Anerkennung sollen den Ausschlag für dessen Suizid 1770 gegeben haben. Etliche Jahre später, im Jahr 1856, bannte der englische Maler Henry Wallis „diesen Fall“ in eine ästhetische Szene, die sogleich sein berühmtestes Gemälde werden sollte. Seinen Erfolg hatte das Bild der Tatsache zu verdanken, dass es noch im Jahr seiner Fertigstellung in der Royal Academy in London ausgestellt wurde und aufgrund seines romantisch verklärten Motivs für Aufsehen sorgte. Wesentlich dabei war, dass das Schicksal des jungen Dichters die Menschen noch viele Jahre nach dessen Tod beschäftigte. Es erwuchs zu einem Mythos, den literarische und künstlerische Adaptionen lange populär hielten.

Alexander Voet d. J. nach Peter Paul Rubens (NL) Der sterbende Seneca (1650–1678)

© Museumslandschaft Hessen-Kassel/ Graphische Sammlung Originalgröße 40 × 27,1 cmDer römische Philosoph und Schriftsteller Lucius Annaeus Seneca war Erzieher und später Berater des römischen Kaisers Nero. Im Jahr 65 zwang Nero Seneca, sich das Leben zu nehmen, da er ihn des Verrats bezichtigte. Der Kupferstich zeigt den sterbenden Seneca mit den Füßen in einem Wasserbad stehend. Ein Arzt lässt ihn zur Ader, ein Schüler hält seine letzten Worte fest. Seneca, der ein überzeugter Stoiker war, blickt dem Tod mit Gelassenheit und innerer Ruhe entgegen. Gestochen wurde das Kunstwerk nach Peter Paul Rubens, dem die antike Statue eines afrikanischen Fischers 1612/1613 als Vorbild diente. Die Grafik kann gleichsam als Sinnbild für den standhaften Philosophen dienen, der sich nach Ablauf seiner Zeit dem Tode fügt – ein heute klischeehaftes (männliches) Idealbild.

Johann Martin Pictorius Pyramus und Thisbe (1700–1720)

Öl auf Leinwand Leihgabe Museumslandschaft Hessen-Kassel/ Gemäldegalerie Alte MeisterPyramus und Thisbe sind ein in Ovids Metamorphosen beschriebenes babylonisches Liebespaar, dessen Eltern verfeindet sind. Eines Nachts verabreden sie sich dennoch, um aus Babylon zu fliehen. Thisbe trifft als erste ein, muss jedoch vor einem Löwen fliehen. Dabei verliert sie ihren Schleier, den der Löwe mit dem Blut seiner zuvor erlegten Beute beschmutzt. Als Pyramus diesen Schleier findet, glaubt er, seine Geliebte sei tot und suizidiert sich daraufhin mit seinem Schwert. Als Thisbe ihn findet, tötet auch sie sich mit derselben Waffe. Die mythologische Liebesgeschichte bildet die Urversion des Motivs, dass auch Shakespeare in seiner Tragödie „Romeo und Julia“ (1597) bearbeitet hat.

Kopie nach Rosso Fiorentino Die sterbende Kleopatra (1520er)

Öl auf Leinwand Leihgabe Museumslandschaft Hessen-Kassel/ Gemäldegalerie Alte MeisterDas Schicksal der Kleopatra ist vielfach Thema in der bildenden Kunst. Diese bezog ihre Inspiration aus der spannungsvollen Lebensgeschichte und Ausstrahlung der letzten Herrscherin Ägyptens. Sie war eine Frau von überragender Schönheit, war Geliebte Julius Caesars und später des römischen Feldherrn Marcus Antonius. Im Zuge machtpolitischer Umbrüche und vor drohender Gefangenschaft durch die Römer tötete sie sich schließlich mit dem Gift einer Schlange. Nicht zuletzt bedeutete ihr Tod die Fremdbestimmung des ägyptischen Reiches durch die neue Herrschaft der Römer. Markant ist, dass bei Darstellungen der sich suizidierenden Kleopatra das erotische Moment im Vordergrund steht. Die sinnliche Komponente ist ein vielfach charakteristisches Merkmal klassischer Bildsujets, vor allem in der Epoche des Barock.  

Kopie nach Guido Cagnacci Der Selbstmord der Lucretia (1640–1645)

Öl auf Leinwand Leihgabe Museumslandschaft Hessen-Kassel/ Gemäldegalerie Alte MeisterDer römischen Sage nach tötete sich die Gattin des Collatinus Tarquinius, die für ihre Schönheit und vor allem für ihre Tugendhaftigkeit berühmt war, nach einer Vergewaltigung durch einen engen Vertrauten ihres Mannes. Dieser literarische Stoff findet in der Kunst verschiedener Epochen weite Verbreitung. Dabei gibt es unterschiedliche Wertungen des Suizids. In manchen Darstellungen – so wie in diesem Gemälde – wird von Lucretia das Bild einer sinnlich-erotischen Frau entworfen, deren Motivation zur Selbsttötung zwischen Schuldgefühl und Scham changiert, was den Akt als Verzweiflungstat vermittelt. Andere Bildvarianten zeigen Lucretia als eine entschlossene, selbstbewusste Person, die ihrer Selbsttötung zur Bekräftigung ihrer Unschuld und ihrer ehelichen Treue erhobenen Hauptes entgegensieht.  

Francesca Woodman (USA) Verschiedene Fotografien

Untitled Boulder, Colorado (1972–1975/1999–2000) Untitled Providence, Rhode Island (1975–1978/2002) House #3 Providence, Rhode Island (1975–1976/2001) Untitled Providence, Rhode Island (1976/2010)Schwarz-Weiß Silbergelatineabzüge auf Barytpapier Leihgabe Sammlung VerbundFrancesca Woodman schafft in ihrem kurzen Leben ein beeindruckendes Werk. Beginnend im Alter von 13 Jahren fertigt sie zahlreiche Fotografien und Videoarbeiten. Sie wächst in Colorado (USA) auf und besucht die Rhode Island School of Design in Providence. Später lebt sie in Rom und New York. Die Tochter einer Künstlerfamilie kennt insbesondere die italienische Malerei der Renaissance und schafft zahlreiche Bezüge zu ihr, in denen sie oftmals das Weibliche und Männliche umkehrt, wobei sie meist mit ihrem Körper als Modell arbeitet. Ihr Leben, das sie mit 22 Jahren selbst beendete, hat nachhaltig die zeitgenössische Kunst geprägt und beschäftigt und bewegt Künstler*innen wie Gesellschaft – auch im Hinblick auf ihren frühen Tod – bis heute.  

Philip Nitschke (AUS/NL) Sarco (2017)

3D-gedruckte Maschine zur Selbsttötung Leihgabe Exit InternationalPhilip Nitschke ist Gründer der Sterbehilfeorganisation Exit International, die 1996 in Australien entstand. Heute lebt er in den Niederlanden, wo aus der Arbeit Nitschkes und der Organisation im Jahr 2017 der Apparat Sarco hervorging. Sarco wird in 3D-Drucktechnik hergestellt und soll ab 2022 in der Schweiz zum assistierten Suizid verwendet werden. Laut Nitschke soll Sarco eine einfache, selbst auszuführende und „ästhetische“ Selbsttötung ermöglichen. „Die Idee war, dass es stilvoll, elegant und futuristisch aussehen sollte, als handele es sich um eine Zeitkapsel, die jemanden an seinen oder ihren finalen Bestimmungsort bringt“, so Nitschke im Interview für die Publikation zu dieser Ausstellung. Und weiter: „Doch zunächst einmal geht Sarco zum Teil auf den Wunsch zurück, dem assistierten Sterbeprozess die medizinische Komponente zu nehmen und die Kontrolle aus den Händen der Ärzte wieder in die des Individuums zu legen.“

Felix Dolah (DE) 16 Lonely Suicides (2018)

Kohlezeichnung auf Papier Leihgabe Galerie Nadia ArnoldFelix Dolahs zeichnerischer Beitrag umfasst 16 Einzelblätter mit identischem Inhalt, jedoch variierenden bildlichen Elementen. Farblich herrscht Schwärze vor – eine Metapher für Dunkelheit und Tristesse. Ein helles Oval, vage als ein Gesicht erkennbar, bildet den Kontrast. Es sind 16 einsame Gesichter, stellvertretend für 16 Suizide. Zwar bilden sie auf den ersten Blick eine Gemeinschaft, doch scheint sie darin lediglich ihre Einsamkeit im Leben, vielleicht auch im Tod, zu verbinden. Die fahlen Gesichter wirken wie Lichtquellen. Sie leuchten in die Dunkelheit hinein, doch ihr Strahlen verliert sich im Nichts. Genau dies weckt Assoziationen vom Eintauchen oder Versinken in einem Tunnel, einem Strudel oder einem nächtlich schimmernden Gewässer.  

Thijs Rijkers (NL) Suïcide Machine Sand (2013)

Sand, Motor, Maschinenteile Leihgabe Thijs RijkersDie Arbeit Suïcide Machine Sand des niederländischen Künstlers Thijs Rijkers weckt andere Assoziationen als die moraltheologischen Botschaften eines Vanitas-Stilllebens, in denen die Schönheit der Vergänglichkeit als Mahnung gemalt werden. Rijkers hat sich in dieser dritten Installation innerhalb der Reihe seiner Suizid-Maschinen die Frage gestellt, ob Menschen für technische Geräte, die sich selbst zerstören, Empathie und Mitleid empfinden können. Doch es finden sich auch weitere Fragen und Aspekte: Ist eine solch konstruierte Maschine ein Fehler im System der Funktionalität? Durch ihren Aufbau kann sie gar nicht anders, als sich durch ihren Betrieb selbst zu sabotieren. Rijkers Werk eröffnet damit Analogien zum menschlichen Leben: das Leben als Abnutzungsprozess. Zugleich steckt im Titel der Arbeit die konkreteste Analogie. Die Verwendung des Begriffs „Suizid“ verweist darauf: die Herbeiführung des willentlichen Endes eines menschlichen Lebens.

Steffen Kverneland (NOR) Ein Freitod (2018)

Graphic Novel Originalzeichnungen: Leihgabe Steffen Kverneland Deutschsprachige Buchseiten: avant-verlagDer Comic-Künstler Steffen Kverneland geht mit der Graphic Novel Ein Freitod, wie auch schon in früheren Werken, autobiografische Wege: Er erzählt von der Beziehung zu seinem Vater und von Erinnerungen an seine erste Lebensphase: einer norwegischen Kindheit zwischen dem Zuhause und der Wochenendhütte auf dem Land. Auch die Beziehung des erwachsenen Steffen Kverneland zu seinem eigenen Sohn findet darin Platz. Zwischen die Zeichnungen flechtet er zudem Fotos aus dem Familienalbum der Kvernelands ein. Dreh- und Angelpunkt oder vielmehr die Leerstelle in dieser Erzählung ist der Suizid des Vaters im Jahr 1981, kurz nachdem Steffen Kverneland 18 Jahre alt geworden war. Fast 40 Jahre später erscheint die Graphic Novel Ein Freitod.

Cartoons und Karikaturen

Reproduktionen und Originale zur Verfügung gestellt von der Caricatura – Galerie für Komische Kunst © bei den jeweiligen Künstler*innen (Die Bezeichnungen dienen der Orientierung und sind nicht die Titel der Werke) Papa nervt – Adam Trepczynski (Adam) Wäsche aufhängen – Katharina Greve Erdgeschoss – Christiane Lokar (Kittihawk) Pendlerpauschale – Christiane Lokar (Kittihawk) April, April! – Michael Holtschulte Ach da bist du – Til Mette Kannste nich’ ins Bad gehen? – Thomas Körner (TOM) Abendstimmung – Thomas Plaßmann Darf ich zuerst?! – Stephan Rürup Kinderzimmerdramen – Harm BengenHumor und Suizid – geht das? Künstler*innen aus dem Genre der Karikatur, des Comics und Cartoons werden immer wieder mit solchen Fragen konfrontiert. Schon Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, postulierte, dass Humor eine wirkungsvolle Coping-Strategie (Bewältigungsstrategie) sein kann: also ein Mittel, sich mit schmerzhaften oder schwer anzunehmenden Themen auseinandersetzen und bewältigen zu können. Humor ist ein Weg, mit den Mitteln der Verfremdung und Verdichtung pointiert Sachverhalte oder Missstände darzustellen und zu kommentieren. Er ist auch ein Weg, Gedanken und Ideen mitzuteilen und sich zu vermitteln. In seiner Verdichtung kann er sowohl Menschen schrecken oder gar verletzen als auch helfen, ihre Empfindungen, Ängste und Gedanken freizusetzen.  

Pat Sullivan (AUS) und Otto Messmer (USA) Feline Follies (1919)

Trickfilm, 4:44 min © Public DomainIn Feline Follies („Katzenverrücktheiten“) hat der Kater Master Tom seinen ersten Auftritt. Nach Ausschweifungen und Rauswurf daheim und einer unverhofften Kinderschar ergreift er die Flucht, die am städtischen Kohlegashahn endet. Doch endet der Film so prompt, dass wir nur den kurzentschlossenen Akt sehen – nicht aber, ob Tom tatsächlich stirbt. Der 1919 erschienene, animierte Trickfilm stammt aus dem Studio des Filmproduzenten Pat Sullivan. Regie führte der Cartoonist Otto Messmer. Beide wurden durch die Figur, die später zu Felix the Cat wurde, bekannt. Die Ausstrahlung der ersten Folge war ein Publikumserfolg und weitere folgten. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Figur endlos adaptiert und so zu einer weltbekannten Ikone der Popkultur. Dabei greift der schwarze Kater immer auch Themen seiner Zeit auf, so in den 1920er Jahren etwa verstärkt die Prohibition in den USA.

Plakate zu Suizid und Suizidprävention aus vier Jahrzehnten

Kampagnen im öffentlichen Raum sind eine wirksame Methode, um über Suizid aufzuklären und um Hilfsangebote zu vermitteln. In der Stadt und an Orten, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie von Menschen besucht werden, die von Suizidalität oder Verlusten durch Suizid betroffen sind, entfalten sie eine direkte Wirkung. Einige Kampagnen, wie etwa die des Vereins Freunde für’s Leben e. V., wenden sich aber auch generell gegen Stigmatisierungen oder Klischees wie das Bild des starken und selbstständigen Mannes, das mit dazu beiträgt, dass Depressionen und Suizidalität mitunter verschwiegen werden. Die Plakate, die hier zusammengetragen wurden, geben einen kleinen Ausschnitt dieser Aufklärungsarbeit wieder.  

Nicola Torke (DE) Kegel (1993)

Keramik glasiert, Stahldraht Leihgabe Heinz KemmerIn ihren skulpturalen und raumbezogenen Werken erarbeitet Nicola Torke die performativen Qualitäten von Körper als Ereignis. Im Jahr 1993 entstand die Installation Kegel, bei der neun weiße Keramikkegel – kaum auf dem Boden aufstehend – im Feld einer Raute angeordnet sind; feine Drahtseile halten sie aufrecht. Das Werk wurde zuletzt 2008 im Kunsthaus Hamburg gezeigt, wo ein Kegel durch Besucherhand zerstört wurde. Durch die Abwesenheit eines Teils drängte sich eine neue „Figur“ auf: die Leerstelle im Gefüge. In doppelter Negation der Skulptur als Platzhalter und ihrem Fehlen im Objektensemble wird Körper als Leerstelle oder Grenze in der symbolischen Ordnung deutlich.  

Donna J. Wan (USA) Golden Gate Bridge Series (#5, #6, #11) aus der Reihe Death Wooed Us (2012–2014)

C-Prints Museum für SepulkralkulturDie Landschaften der fotografischen Reihe Death Wooed Us (Der Tod hat uns umworben) von Donna J. Wan beruhigen und beunruhigen gleichermaßen. Die Titel verraten, was diese Orte neben ihrer Atmosphäre noch verbindet: Sie sind besonders frequentierte Orte des Suizids und erhalten dadurch eine tragische Note. Die drei hier ausgewählten Fotografien gehören zur Golden Gate Bridge Series innerhalb der Arbeit Death Wooed Us, neben anderen solcher Orte wie etwa der Dumbarton Bridge, die sich ebenfalls in der Bucht von San Francisco befindet. Die in San Francisco lebende taiwanesische Künstlerin hat zahlreiche dieser „Suicide Destinations“ aufgesucht, nachdem sie ihre eigene Suizidalität, die sie während einer Phase postpartaler Depression durchlitt, überwunden hatte.  

Georg Kolbe (DE) Totentanz (1933)

Bronzeplastik Leihgabe Georg Kolbe MuseumGeorg Kolbe wurde 1912 durch seine Bronze-Figur Die Tänzerin berühmt. Sie repräsentiert seine Vorliebe für die bewegte, weibliche Figur. Mit dem Tod seines Galeristen und Freundes Paul Cassirer (1926) und dessen Frau Benjamine (1927) änderte sich dies. Trauer und Gedenken halten Einzug in sein Oeuvre, verstärkt durch den Suizid seiner jüngsten Schwester Gertrud (1933). Kurz nach ihrem Tod entsteht die erstarrte Figur Totentanz, die er später unter dem Titel Auferstehung in Lebensgröße fertigt. Zu den unbefangenen und heiteren Mädchendarstellungen fand Kolbe nicht mehr zurück, nicht zuletzt, da er 1937 eine weitere Schwester (Margarete) durch Suizid verlor. Kolbe versuchte, diese Schicksalsschläge auch mithilfe seiner künstlerischen Arbeit zu überwinden. Mit seinen Skulpturen schuf er Formen des Andenkens, die die Betrauerten wieder „auferstehen“ ließen.  

Bjørn Melhus (DE) WEIT WEIT WEG (1995)

16-mm-Film, übertragen auf Video, 39:02 min Leihgabe Bjørn MelhusMelhus, der hier die Rolle der fiktiven Dorothy Gale übernimmt, gelingt es voller Spiellust, Material unserer Kultur zu dekonstruieren, um die zerschnittenen Teile in etwas Ungesehenes zu verwandeln. Im Zentrum des Films steht die Anziehungskraft weit entfernter realer wie medialer Sehnsuchtsorte. Diese verwandeln sich in ihrer bildhaften und dramaturgischen Konfrontation mit einem heimeligen Idyll zu unheimlichen Gefilden, denen Dorothy zuerst mit Lust und später mit Unbehagen begegnet. Sie sucht verzweifelt nach ihren Sehnsuchtsorten und vergisst dabei, die Welt ihres Kinderzimmers zu verlassen, um sich in der Ferne selbst zu begegnen. Sie bleibt in ihrer Kindwelt gefangen und findet keine Möglichkeit, das Leben in Widersprüchen und Verletzlichkeit anzunehmen. Der Film ist Britta Melhus gewidmet, die sich im Alter von 28 Jahren das Leben nahm.  

ADie suizidpräventive Wirkung blauen Lichts

Beim Eintritt dürfte Ihnen aufgefallen sein, dass Sie sich durch einen blauen Raum bewegt haben. Damit hat es eine mehr als nur dekorative Bewandtnis: Blaues Licht hat eine suizidpräventive Wirkung. Dass blaues Licht beruhigend auf Menschen wirkt, ist schon länger bekannt. Blaue Beleuchtung an Gleisen von U-Bahn-Haltestellen in Tokio und anderen Orten zeigte einen Rückgang der dort sonst gezählten Suizide um mehr als die Hälfte – ohne dass etwa nächstgelegene Haltestellen einen Anstieg verzeichneten. Auch ein genereller Rückgang der Suizidrate war nicht festzustellen, sodass die Wirkung einzig auf das blaue Licht rückführbar zu sein scheint. Maßnahmen, die an besonders gefährdenden Orten Suizide verhindern sollen, werden als lokalspezifische Suizidprävention bezeichnet. Sie sind sehr effektiv, denn in der Regel wird nicht auf andere Methoden oder Orte ausgewichen, wenn eine Methode oder ein Ort verhindert wurde. Wissenschaftler*innen forschen aber noch immer an den Komponenten der erstaunlichen Wirksamkeit des blauen Lichts.

Trees of Memory e. V. (DE) Allen durch Suizid Verstorbenen (2021)

Mispel, Pflanzung am 13. Oktober 2021 In Partnerschaft mit dem Museum für Sepulkralkultur„Allen durch Suizid Verstorbenen“ ist an einer anlässlich der Ausstellung gepflanzten Mispel zu lesen. Sie steht ab dem 13. Oktober im Museumsgarten links neben der Terrasse. Der Verein Trees of Memory e. V. setzt sich unter anderem dafür ein, dass Suizidhinterbliebene deutschlandweit Bäume für ihre Verstorbenen pflanzen können. Wünsche, Gedanken und Nachrichten werden dabei stets in einer verrottbaren Schachtel an die Wurzeln der jungen Bäume gelegt. Der neue Baum im Museumsgarten ist ein Novum, denn er ist allen durch Suizid Verstorbenen – jenseits von Ort und Zeit – gewidmet, während die meisten Trees of Memory im Gedenken an eine bestimmte Person gepflanzt werden.

Feline Follies (1919)

WEIT WEIT WEG (1995)

Oleg (2010)

Interview mit Uwe Spiekermann (2021)

Suicide Machine Sand (2013)

Grabmal

Grabstein mit fiktiver Grabinschrift Marmor, Inschrift vergoldet

Koran

Der Koran ist die heilige Schrift des Islams, die nach muslimischer Auffassung die göttliche Offenbarung an den Propheten Mohammed wiedergibt. Nach islamischem Glauben liegt der Ursprung des  Korans direkt in Allah. Als Wort Gottes darf er für streng gläubige Muslim*innen nur in Arabisch gelesen und gelehrt werden.

3 Leichentücher (Mann)

Die Lifafa wird unter dem Leichnam entfaltet. Der Izar bedeckt den Körper vom Hals bis zu den Füßen. Der Kamis verhüllt den Oberkörper.

5 Leichentücher (Frau)

Wie bei Männern wird der Leichnam der Frau mit dem Izar, Kamis und Lifafa verhüllt. Hinzu kommen: Der Hirka wird über Kopf und Brust ausgebreitet. Der Khimar bedeckt die mittig gescheitelten Haare der Frau.

Waschutensilien

Seife, Masken, Handschuhe, saubere Handtücher, diverse Duftstoffe (alkoholfreies Rosenwasser, Damaszenerrosen, Kampfer, getrocknete Lotuswurzel)  

Sarg

Ein islamischer Sarg sollte aus unbehaneltem Vollholz sein. Die spitz zulaufende Deckelform ist den Gräbern der Islamischen heiligen und Weisen nachempfunden.

Sargdecke

Samt, Stickerei mit Goldfäden Die Sargdecke bedeckt den Sarg während des Totengebets und wird vor der Beisetzung abgenommen.

Aufschrift (Stickerei)

„im Namen Allahs, des Gnädigen und Barmherzigen“ „Allah ist der Einzige und Mohammed sein Prophet“ „Jeder Mensch wird sterben und zu uns zurückkehren“ „Wenn die Zeit gekommen ist, dass sie sterben werden, wird die Zeit weder vor- noch zurücklaufen“

Muslimische Bestattungskultur: Die Leichenwaschung

Die Leichenwaschung ist im Islam eine religiöse Pflicht. Sie sollte bald nach Eintritt des Todes geschehen. Dabei gilt die Regel: Männer waschen Männer, Frauen waschen Frauen, Ehepaare dürfen sich gegenseitig waschen. Zudem müssen die Waschenden an sich selbst die rituelle Waschung vorgenommen haben.Die Leichenwaschung ist ein Ausdruck des Respekts und soll die Angehörigen trösten. Gleichzeitig macht sie deutlich, dass der Tod nicht das Ende bedeutet. Er ist vielmehr der Übergang in das Jenseits, das man rein betreten soll. Die Totenwaschung folgt daher dem Ablauf der rituellen Waschung, die jede*r Muslim*in vor dem Gebet zu verrichten hat. Durch sie werden Schmutz, Staub und Flecken, die das weltliche Leben auf dem Menschen hinterlassen hat, entfernt. Kinder müssen nicht gewaschen werden, da sie bereits rein sind. Der Leichnam wird entsprechend der Qibla, der Gebetsrichtung zur Kaaba in Mekka, aufgebahrt. Das geschieht möglichst in einem geschlossenen, mit Düften versehenen Raum.  

Muslimische Bestattungskultur: Sterben und Tod

Vor dem Tod sind einige Abläufe einzuhalten, die die sterbende Person vom Leben lösen und sie und die Angehörigen für den nahen Tod vorbereiten. Für gläubige Muslim*innen ist es Pflicht, einer sterbenden Person beizustehen und ihr respektvoll und freundlich zuzusprechen. Man bittet sie etwa, die bestehen- den Ansprüche an die Anwesenden  zu  erlassen.  Andersherum  erlassen  auch die Anwesenden alle bestehenden Ansprüche gegenüber dem sterbenden Menschen. Kurz vor Eintritt des Todes wird dieser dann aufgefordert, das Glaubensbekenntnis abzulegen oder es wird ihr vorgesagt.Der Umgang mit der verstorbenen Person  (Mayyid)  wird  Tadschhiz  genannt. Das Kinn wird nach Eintritt des Todes leicht hochgebunden. Die Augenlider werden verschlossen, Arme  und  Beine  geradlinig  ausgerichtet.  Dabei  werden je kurze, zur Handlung passende Gebete aufgesagt. Dann wird die verstorbene Person entkleidet und bis zur rituellen Waschung mit einem Tuch bedeckt. In diesem Zeitraum soll neben der verstorbenen Person nicht aus dem Koran gelesen werden. Im Stillen oder in einem Nebenraum ist dies aber erlaubt.

Muslimische Bestattungskultur: Die Leichentücher

Die Verhüllung (Takfin) einer verstorbenen Frau  oder  eines  verstorbenen Mannes ist ebenfalls eine Farz-al-Kifaya-Vorschrift. Das verwendete Tuch ist ohne Nähte, Kragen oder Ärmel und dient dazu, den Körper vollständig zu bedecken. Vor dem Zusammenfalten wird es mit Duftstoffen  versehen.  Der weiße Baumwollstoff sollte weder grob noch minderwertig, aber auch nicht luxuriös sein. Die Schlichtheit und Einfachheit sind symbolische Hinweise darauf, dass nichts aus dieser Welt mitgenommen werden kann und alle Gläubigen im Tode gleich sind.Die Umhüllung bei Männern ist dreilagig, bei Frauen fünflagig. Nach dem Zubinden der Tücher mit drei Stoffstreifen wird die verstorbene Person direkt in den Sarg gelegt und an dem Ort, an dem das Totengebet verrichtet wird, auf einem steinernen Tisch (Musalla) aufgebahrt.

Muslimische Bestattungskultur: Das Totengebet

Vor einer religiösen Handlung ist im Islam oftmals eine Absichtsbekundung erforderlich. Dieser weitreichende Begriff kündigt die spirituell begründete und bewusst im Geiste gefasste Intention an, eine bestimmte gottgefällige Handlung auszuführen. Ohne diese Bekundung sind religiöse Handlungen, wie die rituelle Waschung oder das Totengebet, ungültig.Das Totengebet ist vor der Grablegung  zu  sprechen.  Ein*e  Vorbeter*in, Imam*in oder Hodscha genannt, sowie die Teilnehmer*innen der Beerdigung versammeln sich am Gebetsplatz im Hof einer Moschee oder auf dem Friedhof. Hier wird die verstorbene Person auf dem Musalla, einem steinernen Tisch auf dem Friedhof oder bei der Moschee, in Richtung Mekka aufgebahrt. Nach der Niyya folgt die Anrufung Allahs (Takbir). Danach wird der Sarg zum Grab transportiert.

Muslimische Bestattungskultur: Die Beerdigung

Es ist zwar keine religiöse Pflicht, eine verstorbene Person bis zum Grab zu begleiten, aber Brauch. Das Tragen des Sarges ist eine empfohlene, segens- reiche Handlung. Die Gemeinde spricht oder singt dabei das Glaubens- bekenntnis. Am Grab wird der Sarg nach Mekka ausgerichtet und es werden die vorgesehenen Gebete gesprochen. Anschließend wird der Leichnam möglichst ohne Sarg, nur in die Leichentücher gehüllt, in das vorbereitete Grab mit festgestampftem Boden gelegt. Schräg über dem Leichnam werden Bretter gelegt, damit die Erde nicht direkt auf ihm lastet.Schließlich wird dreimal eine Hand voll Erde ins Grab geworfen. Zum Schluss wird ein flacher Hügel errichtet und die vorgesehenen Suren gesprochen. Da in Deutschland nicht auf allen Friedhöfen eine sarglose Bestattung erlaubt ist, wird oft ein schlichter Holzsarg verwendet. Dies ist auf Antrag bei der Religionsgemeinde durchaus erlaubt und den Umständen der deutschen Gesetzgebung geschuldet.

Muslimische Bestattungskultur: Das Grab

Die Gräber vieler Muslim*innen sind eher schlicht und schmucklos, denn sie sind nach religiöser Vorschrift für die Ewigkeit angelegt und sollten daher auch keiner intensiven Pflege bedürfen. Da muslimische Glaubensgemein- schaften in Deutschland als Vereine organisiert sind, gelten sie nicht als Gesellschaften öffentlichen Rechts. Sie dürfen deshalb keine eigenen Friedhöfe betreiben. Beim Graberwerb und der Grabpflege müssen sie sich an den deutschen Gegebenheiten orientieren.In Deutschland jedoch gibt es oft Richtlinien für die Grabgestaltung und Grabpflege. Diese orientieren sich an der Tradition, Gräber individuell zu bepflanzen, was oft auch über Religions- und Traditionsgrenzen hinaus erwartet wird. Auch das Nutzungsrecht an einem Grab ist vielerorts genau festgelegt und vor allem zeitlich begrenzt. Ein Grab auf Ewigkeit, wie es manche Religionen, nicht nur der Islam, vorsehen, ist hier nur möglich, wenn das Nutzungsrecht regelmäßig verlängert wird. Auf Dauer kann das sehr kostspielig werden.

Muslimische Bestattungskultur: Die Trauerzeit

Nach einem schmerzlichen Verlust ist es hilfreich, wenn die Angehörigen eine Zeit lang Unterstützung und Beistand erfahren. In vielen Religionen ist diese Art der gemeinschaftlichen Fürsorge daher ausdrücklich geregelt. Im Islam endet die Trauerzeit nach vier Monaten und zehn Tagen.Die Beileidsbekundung (Taziya) sollte von denjenigen, die am gleichen Ort leben, innerhalb von drei Tagen ausgesprochen werden. So können die Angehörigen schneller zum normalen Leben zurückkehren. Mit dieser Fristsetzung soll vermieden werden, dass die Betroffenen durch spätere Kondolenzbesuche in ihrer Trauer zurückgeworfen werden.Wer es sich leisten kann, kann als segensreiche Tat auch nach der Beerdigung Almosen an Arme verteilen.

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